Artikel 56 EU-DSGVO: Zuständigkeit der federführenden Aufsichtsbehörde
- Unbeschadet des Artikels 55 ist die Aufsichtsbehörde der Hauptniederlassung oder der einzigen Niederlassung des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters gemäß dem Verfahren nach Artikel 60 die zuständige federführende Aufsichtsbehörde für die von diesem Verantwortlichen oder diesem Auftragsverarbeiter durchgeführte grenzüberschreitende Verarbeitung.
- Abweichend von Absatz 1 ist jede Aufsichtsbehörde dafür zuständig, sich mit einer bei ihr eingereichten Beschwerde oder einem etwaigen Verstoß gegen diese Verordnung zu befassen, wenn der Gegenstand nur mit einer Niederlassung in ihrem Mitgliedstaat zusammenhängt oder betroffene Personen nur ihres Mitgliedstaats erheblich beeinträchtigt.
- In den in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Fällen unterrichtet die Aufsichtsbehörde unverzüglich die federführende Aufsichtsbehörde über diese Angelegenheit. Innerhalb einer Frist von drei Wochen nach der Unterrichtung entscheidet die federführende Aufsichtsbehörde, ob sie sich mit dem Fall gemäß dem Verfahren nach Artikel 60 befasst oder nicht, wobei sie berücksichtigt, ob der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter in dem Mitgliedstaat, dessen Aufsichtsbehörde sie unterrichtet hat, eine Niederlassung hat oder nicht.
- Entscheidet die federführende Aufsichtsbehörde, sich mit dem Fall zu befassen, so findet das Verfahren nach Artikel 60 Anwendung. Die Aufsichtsbehörde, die die federführende Aufsichtsbehörde unterrichtet hat, kann dieser einen Beschlussentwurf vorlegen. Die federführende Aufsichtsbehörde trägt diesem Entwurf bei der Ausarbeitung des Beschlussentwurfs nach Artikel 60 Absatz 3 weitestgehend Rechnung.
- Entscheidet die federführende Aufsichtsbehörde, sich mit dem Fall nicht selbst zu befassen, so befasst die Aufsichtsbehörde, die die federführende Aufsichtsbehörde unterrichtet hat, sich mit dem Fall gemäß den Artikeln 61 und 62.
- Die federführende Aufsichtsbehörde ist der einzige Ansprechpartner der Verantwortlichen oder der Auftragsverarbeiter für Fragen der von diesem Verantwortlichen oder diesem Auftragsverarbeiter durchgeführten grenzüberschreitenden Verarbeitung.
Kommentar zu Artikel 65 DSGVO
Was sagt Art. 65 DSGVO aus?
Als das zentrale Instrument des Kohärenzverfahrens regelt Art. 65 DSGVO das Streitbeilegungsverfahren. Dabei erlässt der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) in den in Abs. 1 genannten Fällen einen verbindlichen Beschluss. Diese Fälle sind abschließend geregelt.
Bei den in lit. a genannten Meinungsverschiedenheiten bei der Zusammenarbeit zwischen federführender und betroffener Aufsichtsbehörde nach Art. 60 Abs. 4 DSGVO beschränkt sich die Entscheidungsbefugnis auch auf diejenigen Punkte, die Gegenstand des Einspruchs nach Art. 60 Abs. 4 DSGVO sind. Ein Tätigwerden des Ausschusses setzt einen solchen Einspruch voraus. Herrschen zwischen den Aufsichtsbehörden Konflikte über die Frage, welche Behörde als federführende für die Hauptniederlassung i. S. d. Art. 56 Abs. 1 DSGVO fungiert, kann der Ausschuss auch von Amts wegen oder auf Anregung eines Mitglieds, einer Aufsichtsbehörde oder der Kommission tätig werden. Beim beabsichtigten oder tatsächlichen Abweichen von einer Stellungnahme durch eine Aufsichtsbehörde nach Art. 64 Abs. 8 DSGVO oder bei Unterlassen der Einhaltung einer obligatorischen Stellungnahme nach Art. 64 Abs. 4 DSGVO darf der Ausschuss nur auf Antrag einer betroffenen Behörde oder der Kommission tätig werden (Abs. 1 lit. c).
Die Entscheidung über die in Abs. 2 genannte Fristverlängerung von einem auf zwei Monate bei besonderer Komplexität trifft entweder der Vorsitz des Ausschusses oder auf Antrag durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit die Ausschussmitglieder. Wenn in den in Abs. 2 genannten Fristen keine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt oder eine Entscheidung aus Zeitgründen ausbleibt, wird mit der einfachen Mehrheit innerhalb der Frist des Abs. 3 entschieden. Bei Stimmengleichheit richtet sich die Entscheidung nach der Stimme des Vorsitzes. Außerdem ist der Beschluss durch den Ausschuss zu begründen und als verbindliche Entscheidung für die federführende sowie die betroffenen Aufsichtsbehörden an diese zu übermitteln (Abs. 2). Gelingt es dem Ausschuss in den Fällen des Abs. 1 lit. a und b nicht, sich auf einen Beschluss zu einigen, wird das Streitbeilegungsverfahren eingestellt und die Angelegenheit durch die Gerichte entschieden, welche gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden angerufen werden können. Im Fall des Abs. 1 lit. c hat dies hingegen zur Folge, dass die Stellungnahme nach Art. 64 Abs. 1 DSGVO nicht von den betroffenen Aufsichtsbehörden beachtet werden muss.
Vor Ablauf der Fristen in Abs. 2 und 3 dürfen betroffene Aufsichtsbehörden auch keine Entscheidung in der Angelegenheit treffen, welche dem Ausschuss vorgelegt wurde (Abs. 4). Bei beabsichtigtem Abweichen von einer obligatorischen Stellungnahme erstreckt sich die Frist über den Zeitraum, in dem die Einleitung des Streitbeilegungsverfahrens durch die Aufsichtsbehörden oder die Kommission geprüft und beantragt wird.
Nach der unverzüglichen Mitteilung des Beschlusses durch den Vorsitz des Ausschusses nach Abs. 5 ist spätestens innerhalb eines Monats eine endgültige Entscheidung durch die federführende bzw. die betroffenen Aufsichtsbehörden zu treffen, welche auf dem Beschluss des Ausschusses beruht (Abs. 6).
Sobald ein solcher endgültiger Beschluss durch die Aufsichtsbehörden getroffen wurde, ist er unverzüglich durch den Vorsitz auf der Website des Ausschusses zu veröffentlichen (Abs. 5). Um dies zu ermöglichen müssen die federführende bzw. die betroffenen Aufsichtsbehörden dem Ausschuss mitteilen, wann sie den endgültigen Beschluss dem Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter übermittelt haben (Abs. 6). Außerdem muss im endgültigen Beschluss auf den in Abs. 1 genannten Beschluss verwiesen werden, dieser der endgültigen Entscheidung beigelegt und festgelegt werden, dass er auf der Webseite des Ausschusses veröffentlicht wird.
Die Aufsichtsbehörden sowie die Kommission sind außerdem dazu verpflichtet, im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens dem Ausschuss alle zweckdienlichen Informationen zu übermitteln.
Was ist neu?
Mit Art. 65 DSGVO wird in Vollzugs-Fragen erstmals die Letztentscheidungsbefugnis an den Europäischen Datenschutzausschuss übertragen und somit auf EU-Ebene verlagert. Im Vergleich zur ehemaligen Artikel-29-Datenschutzgruppe, welche nur beratende Funktion hatte, darf der Europäische Datenschutzausschuss also bindende Entscheidungen erlassen.
Welche Folgen ergeben sich aus Art. 65 DSGVO?
Mit dem Streitbeilegungsverfahren des Art. 65 DSGVO soll der Vollzug des Datenschutzrechts harmonisiert und so eine kohärente Anwendung der DSGVO sichergestellt werden, um Rechtssicherheit, Rechtseinheit und Wettbewerbsgleichheit zu schaffen. Es ergibt sich aus dieser Vorschrift zwar kein direkter Handlungsbedarf für Unternehmen, jedoch können Sie sich bei Fragen oder Problemen rund um das Thema Datenschutz immer gerne an uns wenden. Unsere zertifizierten Datenschutzexperten stehen Ihnen darüber hinaus als externe Datenschutzbeauftragte zur Verfügung.